Am Donnerstag, den 6. April 2017, fand in der Dresdner Dreikönigskirche, unweit des Jorge-Gomondai-Platzes, die Abschlussveranstaltung der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ (IWgR) statt. Anlässlich des 26. Todestages Gomondais, der am Ostersonntag 1991 am nahegelegenen Albertplatz einem rassistisch motivierten Anschlag zum Opfer gefallen war, wurde unter dem Veranstaltungstitel „Madgermanes – Ausbeutung unter deutscher Flagge?“ ein Bogen zwischen dem Leben der mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter zu DDR-Zeiten und heute in Deutschland sowie der Situation der nach Mosambik Zurückgekehrten gespannt. Dabei spielten nicht zuletzt Fragen des Alltagsrassismus eine große Rolle.
Zu Gast bei der Podiumsdiskussion, die vom Journalisten und Weltreporter Philipp Hedemann moderiert wurde, waren die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter Morgado-Vasco Muxlhanga und Emiliano Chaimite (beide seit über 30 Jahren in Dresden) sowie der heute in Berlin lebende Augusto Vinheque, Präsident der mosambikanischen Gesellschaft in Deutschland e.V. Des Weiteren konnte Frau Marita Schieferdecker-Adolph, welche nach der Wende in der DDR langjährige Ausländerbeauftragte der Stadt Dresden war, für das Podium gewonnen werden. Oberbürgermeister Dirk Hilbert eröffnete mit einem Grußwort diese Abschlussveranstaltung der IWgR. Zuvor wurde Jorge Gomondai mit einer Blumenniederlegung gedacht.
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert und Dr. Hussein Hasham Jinah vom Ausländerbeirat Dresden gedachten Jorge Gomondai mit einer Blumenniederlegung.
Markus Degenkolb vom Ausländerrat Dresden e.V. eröffnete die Podiumsdiskussion im Kleinen Festsaal der Dresdner Dreikönigskirche.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert erwähnte in seinem Grußwort u.a. die Wichtigkeit, sich als Stadt intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen.
Moderator Philipp Hedemann, dessen journalistischen Afrika-Reportagen bisher u.a. in der FAZ, der ZEIT oder im cicero erschienen sind, zeigte anhand einer Diashow den Kampf der nach Mosambik zurückgekehrten Vertragsarbeiter*innen.
Die ehemaligen Vertragsarbeiter*innen bezeichnen sich selbst oft als „Madgermanes“ (abgeleitet von „Made in Germany“). Seit Jahrzehnten auf eine gerechte Entlohnung für ihre Arbeitsjahre u.a. in der ehemaligen DDR warten. Sowohl von staatlicher mosambikanischer als auch deutscher Seite wird die Sache jedoch als abgeschlossen angesehen.
Morgado-Vasco Muxlhanga kam Anfang der 1980er Jahre in die DDR. Er lebte einige Zeit im selben Wohnheim wie Jorge Gomondai und war zudem dessen Ausbilder am VEB- Fleischkombinat Dresden.
Seit mittlerweile 25 Jahren arbeitet Morgado-Vasco Muxlhanga als IT-Spezialist in der Stadtverwaltung und hat bereits zwei Bücher über sein Leben in Deutschland geschrieben.
Emiliano Chaimite kam Mitte der 1980er Jahre in die DDR; zunächst nach Magdeburg und später nach Dresden, wo er auch heute noch lebt und als Krankenpfleger arbeitet.
Emiliano Chaimite hatte vor wenigen Wochen sein 25jähriges Berufsjubiläum. In seiner knapp bemessenen Freizeit ist er vor allen Dingen für den Afropa e.V. tätig, dessen Aufgabe u. a. die professionelle Betreuung von Geflüchteten in der Dresdner Neustadt ist.
Augusto Vinheque kam 1989 in die DDR und setzt sich als Präsident der mosambikanischen Gesellschaft in Deutschland e.V. auch heute noch für die Anliegen der ehemaligen Vertragsarbeiter*innen ein.
Augusto Vinheque hatte im Zuge seines Engagements für die ehemaligen Vertragsarbeiter*innen bereits Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem früheren Außenminister Steinmeier.
Marita Schieferdecker-Adolph, von 1990 bis 2010 Ausländerbeauftragte der Stadt Dresden, schilderte die Situation nach dem Anschlag auf Gomondai im Jahr 1991 und die alltäglichen Schwierigkeiten, denen sich die ausländische Bevölkerung damals gegenübersah.
Augusto Vinheque erzählte von seinen persönlichen Erfahrungen mit rassistischer Gewalt in Berlin sowie den Schwierigkeiten, mit den physischen und psychischen Folgen im Alltag umzugehen.
Anschließend wurde die Diskussion für das anwesende Publikum geöffnet.
Dr. Hussein Hasham Jinah, ebenfalls zu DDR-Zeiten nach Dresden gekommen, erzählte von seinen damaligen Erfahrungen, u.a. von den Unterschieden, welche zwischen Studierenden und Arbeiter*innen aus dem Ausland im DDR-Leben gemacht worden.
Die gesamte Veranstaltung wurde in Gebärdensprache übersetzt, so dass auch auf diesem Wege Fragen aus dem Publikum gestellt und von den Podiumsgästen beantwortet werden konnten.
In der Schlussrunde teilte Emiliano Chaimite seine Auffassung, dass trotz aller noch bestehenden Herausforderungen, die Zivilgesellschaft in Dresden heute stärker als im Jahr 1991 ist.
Eckehard Bodenstein, Vorsitzender des Umweltzentrum Dresden e.V., bedankte sich im Namen des EDIC Dresden bei allen Mitwirkenden des Abends.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Veranstaltungsankündigung
Gerade eben noch war Europa mehr als je zuvor zusammengewachsen, die Euphorie der friedlichen Revolution in der DDR und anderen Ostblockstaaten noch fühlbar nah, als der mosambikanische Gastarbeiter Jorge Gomondai am 06. April 1991 in Dresden einem rassistisch motivierten Anschlag zum Opfer fiel.
Über die Lebensbedingungen der in der DDR lebenden mosambikanischen Gastarbeiter*innen ist den meisten wenig bekannt. Gleichzeitig finden noch heute regelmäßige Demonstrationen der „Madgermanes“ unter wehender Deutschlandfahne in Mosambik statt – ein irrwitziger Gegensatz zu den Bildern der fahnenschwingenden PEGIDA-Anhänger*innen.
In Gedenken an Jorge Gomondai wollen wir einen Blick zurück auf die Umstände der Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik zur Wendezeit und deren erschwerte Lebensbedingungen heute in ihrem Heimatland werfen.
Zu Gast sind der Weltreporter Philipp Hedemann, die ehemaligen mosambikanischen Gastarbeiter Morgado Vasco Muxlhanga und Emiliano Chaimite sowie Augusto Vinheque, Präsident der mosambikanischen Gesellschaft in Deutschland e.V. Außerdem konnten wir Frau Marita Schieferdecker-Adolph, die damalige Ausländerbeauftragte der Stadt Dresden, für das Podium gewinnen.
Herr Oberbürgermeister Dirk Hilbert wird mit einem Grußwort diese Abschlussveranstaltung der IWgR eröffnen.
Auszüge aus dem 2016 beim avant-verlag erschienenen Comic »Madgermanes« von Birgit Weyhe
Informationen zum Comic »Madgermanes« sind u.a. auf der Webseite von Birgit Weyhe sowie des avant-verlages zu finden.
Porträtiert wurde der Comic und die Situation der mosambikanischen Vertragsarbeiter*innen auch im ARTE Journal.